Koip Peak: Busch, Schneefall, Umkehr


Die Nacht fällt langsam herein, ich sitze auf der ausgestreckten Bank im Bus, schaue hinaus durch das breite Seitenfenster. Eine Naturpiste schlängelt sich von meinem Stellplatz am Trailhead des Parker Lake Wanderweges hinunter zur 158. Links und rechts weites Buschland, trocken braun-grün, gerade mal hüfthoch. Die Landschaft fällt sanft ab, bis zum Mono Lake, der mit seinem Blau und dem weissen Strandstreifen gut zu sehen ist. Am Horizont zeichnen sich sanfte Berge ab, darüber dunkle Wolken, alles wohl schon in Nevada.  Irgendwo sehe ich weit weg Autoscheinwerfer, für kurze Zeit. Im Radio läuft Dire Straits, und ich mache mich fertig für die Nacht. Die Büsche bewegen sich leicht im Wind. Mein Fenster zur Welt, 60 mal 40 cm groß, wie ein Kino. Ich öffne den Schlafsack und ziehe ihn über meine Schultern. Es wird langsam kälter.

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ein Blick für die Ewigkeit

Am nächsten Morgen schneit es leicht, als ich losmarschiere. Es ist wunderschön. Die Luft ist klar und riecht süß. Fast wie in der Toskana im Frühling. Und es ist vollkommen leise. Ich höre die Schneegraupeln, wie sie auf meine Jacke prasseln, den Bach unter mir, und hin und wieder das Klappern meiner Skistöcke. Bären-Prävention heißt das, und sie mag das gar nicht. Aber das Gelände ist unübersichtlich, und so spaziere ich entlang des Wanderwegs zum Parker Lake. Ich kann das Gefühl gar nicht richtig beschreiben, alleine durch die Landschaft zu ziehen. Es ist kein Zuhause, weil alles so fremd ist. Man schaut um sich und versucht alles in eine Ordnung zu kriegen. Am Bach haben Biber Staudämme aufgetürmt. Es ist mir ein Rätsel, wie die es schaffen, Bäume in die richtige Richtung zu fällen. Ich folge dem Weg, der bald zu einem Trampelpfad wird und sich kurz danach auflöst. Im Gestrüpp.

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Schnee am frühen Morgen

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Parker Lake, dahinter mein Weg

Dieser Busch wird zu einem hartnäckigen Gegner. Er ist ca. 3 m hoch und sehr dicht. Seine Äste sind drahtig und kaum zu brechen, aber kräftig genug, mich zurückzudrücken wie ein Flipper eine Kugel in einem dieser Automaten. Der Busch wird ungemütlich. Ich komme nicht mehr weiter, brauche für einen Meter fast eine halbe Minute, jedes einzelne Glied muss ich gezielt vorwärts bewegen, und dann die Ski am Rucksack! Es geht nicht mehr, ich nehme die Ski ab, trage sie nun in meinen Händen. Nach jedem zweiten Meter schaue ich wieder nach vor, ob sich nicht irgendwo eine kleine Lücke auftut, aber die Reihen sind dicht geschlossen. Ich ärgere mich über das Skitouren-Buch: „Continue up the prominent valley and the creek that flows into Parker Lake.“ Der Satz ist für die Katz. Es gibt hier nur das eine Tal, und nur den einen Bach. Aber kein Wort von einem 1-Kilometer langen Busch-Korridor. Wie man das mit Ski machen soll, frage ich mich wieder, wie beim Mt. Walt. Es gibt drei Möglichkeiten: a) der Autor war noch nie auf dieser Tour; b), der Guide ist komplett veraltet und die Negation ist eine völlig andere; oder c) im Hochwinter hat es hier mindestens 5 m Schnee, die diesen Gestrüpp-Gürtel komplett begraben.

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endlich aus dem Busch

Ich brauche für diesen Kilometer gute 2 Stunden. Als ich aus den Büschen trete, erwartet mich Geröll bis zum Wasserfall. Ich gehe weiter, nochmals einen Kilometer, doch bevor ich den Wasserfall erreiche, beginnt es stärker zu schneien, und die Sicht reduziert sich auf das Erträgliche. Den Wasserfall erklimme ich nicht mehr. Ich sehe nicht, ob ich links oder rechts gehen soll, und vermute dahinter wieder ein Plateau, welches völlig schneelos und mit Geröll gefüllt ist. Es ist keine Entscheidung weiterzugehen oder umzudrehen, sondern ein Faktum. Es ist heute nicht möglich. Auf dem Rückweg versuche ich oberhalb des Busch-Gürtels zu bleiben, muss aber steile Hänge voller Geröll queren. Bei Schnee wird das rutschig, und ich habe mich für den Beinbruch gegen für das Ausstechen des Auges entschieden. Es wird mühsam, und erspart mir letztlich nicht, wieder einige dutzend Meter durch den Busch zu gehen. Ein Stich in die Rippen, ein Schlag gegen die Lippen, dann bohrt wieder ein Ast in meiner Nase. Ich hätte jetzt gern etwas Luftunterstützung, die mir Bilder von oben für den besten Weg sendet.

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bald am Wasserfall, die Sicht wird schlechter

Ich wühle mich durch und stehe wieder am See. Der Wanderweg hier fühlt sich wie eine Autobahn an. Auch wenn nun eine Schneedecke über allem liegt, folge ich dem Weg ohne Probleme bis zum Parkplatz. Eine Umkehr, ein Abenteuer mehr. Ich habe wieder einiges gelernt, bin ein-zwei Zentimeter gewachsen. Nun laufe ich lautlos durch den Wald, der Bär kümmert mich nun gar nicht, ich bin nun Teil dieses Tals. Es schneit fest, und bald sind meine Spuren verwischt. Nur meine Erinnerung bleibt, und das geschriebene Wort.


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